“Das mit dem herbstlichen Hundewetter ist doch auch eine Haltungssache. Regnerische Herbsttage möchten zelebriert werden – indem man ganz bewusst Zuhause bleibt, etwas Schönes kocht, liest, mit einer schönen Tasse Tee den Tag verstreichen lässt, auch mal wieder Mittagsschlaf macht und es sich einfach so richtig gemütlich macht – ob allein oder zu zweit, macht beides Spaß!”
Weise und wahre Worte von Filmblogger Micha Kunze. Er findet den Herbst unter anderem deshalb so schön, weil er die Legitimation mit sich bringt, auch endlich mal wieder so richtig schön faul zu sein. Und mit seinen 5 Filmtipps verrät er uns auch gleich noch, wie wir das am besten anstellen.
3 Fragen an Filmblogger Micha Kunze
Was ist das Nervigste am Sommer?
Es ist warm, es ist schwül. Du wachst morgens auf und läufst schon gegen eine Wand. Als großer Filmfan hast du im Sommer auch einfach den gesellschaftlichen Druck jetzt nicht vor Netflix zu hängen, sondern musst auf jeden Fall rausgehen und irgendwas machen. Im Herbst hingegen kann man ohne schlechtes Gewissen drinbleiben.
Ich finde den Sommer klasse, aber wenn es zu krass ist, hat man ja auch keinen Spaß mehr.
Was ist das Schönste am Herbst?
Wenn man im Sommer einmal einen Tag sagt: Hey, ich bleib Zuhause und guck Filme, stößt man auf Unverständnis. Im Herbst hingegen ist es völlig okay, sich in seine Decke zu kuscheln und Netflix zu gucken.
Gegen Herbst-Blues mache ich…
Ich glaube, wir haben alle eine sehr romantisierte Vorstellung vom Herbst – goldene Blätter und Herbstsonne, alles scheint in goldenem Licht. Und dann gibt es die Momente, in denen man aufwacht und es regnet und stürmt; dann ist es eine Haltungssache. Entweder findet man es eklig und sagt: Ich hab keinen Bock auf den Tag oder man sagt: Nee, ich zelebrier das jetzt auch.
Das klingt so ein bisschen klischeehaft, aber ich feiere das auch. Dieses Klischee auch mal zu leben und den Tag verstreichen zu lassen. Und so wird es dann auch, wenn es ein ekliger Tag draußen ist, zu einem guten Tag drinnen, wenn man es sich denn kuschelig macht.
5 perfekte Herbstfilme für die regnerische Jahreszeit
Komödie: Das erstaunliche Leben des Walter Mitty
Es gibt wenige Filme, die mich auch nach mehrmaligem Anschauen immer noch restlos begeistern. Das Komödien-Drama Das erstaunliche Leben des Walter Mitty ist einer davon. Anfangs packt er einen noch in humorvolle Wohlfühl-Watte, doch mit jeder neuen Szene wächst gleichzeitig das Fernweh – gerade, wenn draußen der triste Novemberregen gegen die Scheibe peitscht.
Ben Stiller spielt den titelgebenden Walter Mitty, der dem letzten Coverbild für das aussterbende LIFE-Magazin hinterher jagt. Als angepasstes 9-to-5-Bienchen stößt er schnell an seine Grenzen, wenn es ihn von Grönland über Island bis in die Himalayas verschlägt. Die Landschaftsaufnahmen gepaart mit dem Soundtrack mit dem großartigen José Gonzalez sind einfach phänomenal!
Als ich den Film das ersten Mal im Kino gesehen habe, hätte ich am liebsten meinen Job geschmissen und wäre in den nächsten Flieger ins Unbekannte gestiegen. Und ganz ehrlich: heute geht es mir da nicht anders. Der Mix aus feinfühliger und tiefgreifender Story, augenzwinkerndem Schauspiel und die Schönheit der Ferne ist der perfekte Film-Cocktail. Und zumindest eine kleine Entschädigung dafür, dass bei den meisten dieses Jahr der Urlaub ins Wasser gefallen ist.
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Noch mehr Filmtipps fürs Zwerchfell: Und täglich grüßt das Murmeltier, Ziemlich beste Freunde, Besser geht’s nicht, Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug
Liebesfilm: Her
Zugegeben, Spike Jonzes Digital-Romanze Her ist alles andere als ein klassischer Liebesfilm. Das liegt unter anderem daran, dass sich unser Protagonist nicht in einen Menschen, sondern in ein Betriebssystem verliebt. Ja, ganz richtig gehört! Und das Verrückte ist: die Nummer geht voll auf. Liebesfilm trifft auf Sci-Fi und Philosophie – eine ziemlich brillante Kombination.
Joaquin Phoenix spielt einen wunderbar einfühlsamen Ghostwriter, der die meiste Zeit des Films mit seinem Handy spricht. Scarlett Johansson leiht dem Betriebssystem ihre Stimme und – fragt mich nicht, wie – es fliegen die Funken. Tatsächlich ist die Chemie zwischen den beiden so stimmig und greifbar, wie in wenigen Liebesfilmen. Deshalb sollte man den Film auch unbedingt in englischer Sprache anschauen.
Für mich ist Her deshalb so besonders, weil er eben nicht die generische Schmonzette ist.
In liebevollen Settings und herbstlich-warmen Farben philosophieren die Figuren über das Wesen der Liebe. Das ist kurzweilig, romantisch, unterhaltsam – und liefert auch eine der absurdesten Sex-Szenen der Filmgeschichte. Wärmste Empfehlung für graues Herbstwetter!
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Wenn ihr noch ein bisschen schmachten wollt: Wie ein einziger Tag, La La Land, Harry & Sally, (500) Days of Summer, Die fabelhafte Welt der Amélie, Call me by your name
Horror: Scary Stories to tell in the Dark
Mit vielen Horrorfilmen kann man mich jagen! Die wenigsten Streifen halte ich durch, ohne ständig durch meine Finger zu schielen. Wenn die Schockmomente aber nicht einfach nur um ihrer selbst willen existieren, sondern in eine gute Geschichte eingebaut sind, bin ich da schon etwas aufmerksamer – und Scary Stories to tell in the Dark hat meinen Nerv definitiv getroffen.
Letztlich folgt die Story einem klassischen Muster: eine Gruppe Jugendlicher findet in einer verfluchten Villa das Tagebuch eines verstorbenen Mädchens. Dort stehen schaurige Gruselgeschichten drin, die jeden Abend um eine neue Geschichte erweitert werden. Nur, dass es darin plötzlich unseren Hauptcharakteren an den Kragen geht, die genauso sterben, wie das mysteriöse Tagebuch es niederschreibt.
Ein bisschen „Wettlauf gegen die Zeit“, ein bisschen Stranger Things, eine Menge Nostalgie und herrlich-kreatives (und durchaus übles) Ableben der Hauptfiguren. Scary Stories to tell in the Dark erfindet das Rad nicht neu, würzt seine Geschichte aber mit den passenden Zutaten für einen unterhaltsamen Filmabend. Gerade um Halloween der perfekte Zeitvertreib!
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Auch im Grusel-Pflichtprogramm: Halloween, The Rocky Horror Picture Show, Shaun of the Dead, The Cabin in the Woods, Sleepy Hollow, Freitag der 13., The Shining
Animation: Alles steht Kopf
Ich kann mich an keinen Film von Pixar erinnern, den ich nicht gelungen fand. Die bekannte Formel aus Tiefgang, Humor, liebevollen Figuren und einer ordentlichen Prise Emotion klappt immer wieder aufs Neue. Alles steht Kopf hat mich aber auf einem ganz anderen Level abgeholt und begeistert, denn die Story dreht sich ausschließlich um unsere Gefühlswelt.
Wir erleben die Geschichte aus den Augen – oder besser gesagt: aus dem Innenleben – von Riley. Ein 11-jähriges Mädchen, das sich nach einem Umzug in ihrer neuen Lebensrealität zurechtfinden und mit ihren vielen Gefühlen umgehen muss. Diese sind nämlich personifiziert und nicht nur zum Schreien komisch, sondern auch ganz schön hartnäckig.
Es ist schwer zu sagen, was mich an Alles steht Kopf mehr begeistert: die witzig-überdrehten Figuren, der lebensnahe Tiefgang der Geschichte oder die Tatsache, dass ein hochkomplexes Thema so greifbar und verständlich vermittelt wird. Fest steht: am Ende dürfte kein Auge trocken bleiben. Ein wunderschöner Familienfilm mit ganz viel Herz!
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Weiteres Bewegtbild aus der Animations-Schmiede: Coco, Monster House, Oben, Toy-Story-Reihe, Onward: Keine halben Sachen, WALL·E
Klassiker: Die Verurteilten
Muss zu diesem Meisterwerk überhaupt noch etwas gesagt werden? Die Verurteilten dürfte der Fixstern am Himmel der oft nur mittelmäßigen Stephen-King-Verfilmungen sein. Doch hier stimmt wirklich alles: die großartigen Schauspielleistungen von Tim Robbins und Morgan Freeman, der unsagbar stimmige Soundtrack von Thomas Newman und die spannende und zugleich warmherzige Geschichte.
Was mich an Die Verurteilten so begeistert ist die Unaufgeregtheit und teils stoische Ruhe, mit der Regisseur Frank Darabont seine packende Geschichte inszeniert. Obwohl die Story selbst so einige Twists auffährt und deshalb immer spannend bleibt, sind es die ruhigen Momente, die im Gedächtnis bleiben. Wer diesen Film wider Erwarten noch nicht kennt, sollte sich eine warme Decke schnappen und sich mit einem heißen Tee schnellstmöglich vor die Glotze werfen. Ihr werdet es nicht bereuen, versprochen!
Jetzt streamen auf Netflix.
Andere Klassiker, die keinen Staub fangen sollten: Der Pate, Einer flog über das Kuckucksnest, Apocalypse Now, Léon der Profi, Forrest Gump, The Big Lebowsky
Über den Autor:
Micha Kunze ist freier Redakteur und Journalist. Als Film- und Serienliebhaber schreibt er regelmäßig Rezensionen für verschiedene Filmmagazine.